Nach der Konzeption des WEG gibt es keine Ein-Personen-Gemeinschaft (§ 10 Abs. 7 Satz 4 WEG). Deshalb entsteht bei einer Teilung gem. § 8 WEG eine Wohnungseigentümergemeinschaft erst, wenn zusätzlich zum aufteilenden Eigentümer ein Wohnungskäufer als Miteigentümer in das Grundbuch eingetragen wird.[Fußnote 1]
Beim Verkauf von Wohnungs- oder Teileigentum durch den teilenden Eigentümer (meist handelt es sich um einen Bauträger) besteht oft das Problem, dass zwischen Verkauf und Übergabe der Wohnungen einerseits und der Eintragung des ersten Miteigentümers andererseits ein längerer Zeitraum, oft sogar Jahre, vergehen. Das liegt darin begründet, dass beim Bauträgerkauf der Erwerber unter Berufung auf Gewährleistungsansprüche Teile des Kaufpreises zurückhält und deshalb keine Auflassung und Eigentumsumschreibung erfolgt.
»Die Wohnanlage muss aber schon ab Bezugsfertigkeit und Übergabe der verkauften Wohnungen bewirtschaftet und verwaltet werden, was sinnvollerweise nicht allein dem Veräußerer überlassen bleiben, sondern unter Mitwirkung der künftigen Eigentümer nach den Regeln erfolgen soll, deren Geltung die Beteiligten ohnehin anstreben.«[Fußnote 2] Die Zeit vor Entstehen der rechtlich in Vollzug gesetzten Wohnungseigentümergemeinschaft wird von der »werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft« ausgefüllt. Die vorgelagerte Anwendung der Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes ist geboten.
Darüber hinaus soll durch die Anerkennung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft ein möglichst frühzeitiger Übergang der Entscheidungsmacht des teilenden Eigentümers auf die Erwerber erreicht werden.[Fußnote 3]
Die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtssinne entsteht erst, wenn der erste Erwerber als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird.[Fußnote 4]
Die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft ist auch rechtsfähig, soweit es um die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geht. Grund ist, dass eine Verwaltung ohne Teilnahme am Rechtsverkehr nicht möglich ist.[Fußnote 5]
Der BGH lässt die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft logischerweise entstehen, wenn es den ersten werdenden Wohnungseigentümer gibt. Rechtliche Voraussetzung ist, dass der Erwerber aufgrund einer rechtlich verfestigten Erwerbsposition ein berechtigtes Interesse daran erlangt hat, die mit einem Wohnungseigentum verbundenen Verwaltungsrechte vorzeitig auszuüben. Eine solche Position entsteht nach BGH, wenn gleichzeitig drei Bedingungen erfüllt sind:
Nur wenn alle drei Voraussetzungen erfüllt sind, kann ein Erwerber werdenden Wohnungseigentümer werden.[Fußnote 6]
Der Sicherung durch eine Eigentumsvormerkung steht es gleich, wenn der Antrag auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt gestellt ist, ohne dass zuvor eine Auflassungvormerkung eingetragen wurde.[Fußnote 7]
Die werdende Gemeinschaft besteht aus allen Erwerbern, bei denen diese Voraussetzungen vorliegen. Sie behalten ihre damit verbundenen Rechte und Pflichten auch dann, wenn ein anderer Erwerber vor ihnen als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird.[Fußnote 8]
Nach Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtssinne setzt sich für eine »Übergangszeit« die Gemeinschaft aus den Volleigentümern und den übrigen Mitgliedern der (beendeten) werdenden Gemeinschaft zusammen.
Auf die werdenden Wohnungseigentümer sind im Innenverhältnis die Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes anzuwenden.[Fußnote 9]
Eine typische Konstellation beim Verkauf durch einen Bauträger zeigen die gelösten und ungelösten Probleme beim werdenden Wohnungseigentümer:
Typische Konstellation beim Erwerb vom Bauträger
Der BGH hat seine Rechtsprechung zur werdenden Gemeinschaft mit Urteil vom 11.05.2012 weiterentwickelt.[Fußnote 10] Ein Erwerber von Wohnungseigentum, der den Erwerbsvertrag vor Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft abschließt und zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen wird, ist auch dann als werdender Wohnungseigentümer anzusehen, wenn er den Besitz der Wohnung (also die verfestigte Erwerbsposition) erst nach dem Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft erlangt.[Fußnote 11]
Der Senat erwähnt die Auffassung von Klein (in Bärmann, WEG, 11. Auflage, § 10 Rn. 18), nach der bis zu der Veräußerung der letzten Einheit vom Bauträger sämtliche Erstwerber ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Erlangens einer gesicherten Erwerbsposition als werdende Wohnungseigentümer anzusehen seien. Er schließt sich dieser Auffassung jedoch (noch nicht) an. Vielmehr bezieht er sich auf seine Entscheidung vom 05.06.2008 und äußert: »Eine zeitliche Begrenzung für die Anwendung der Grundsätze der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft auf die Ersterwerber hat der Senat lediglich im Hinblick darauf erwogen, dass der teilende Eigentümer nach einer längeren Vorratshaltung einem Eigenerwerber gleichzustellen sein könnte. […] In Betracht käme dies, wenn der Erwerbsvertrag als erster Bestandteil einer gesicherten Erwerbsposition erst geraume Zeit nach Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft geschlossen wird. Ob sich insoweit geeignete Abgrenzungskriterien finden lassen oder ob seiner zeitlich unbegrenzten Anwendung auf Ersterwerber der Vorzug zu geben ist, bedarf [noch!] keiner abschließenden Entscheidung«. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis hierzu eine weitere Entscheidung erfolgt.
Dieses Offenlassen wird in der Literatur zu Recht kritisiert, weil er zu erheblicher Rechtsunsicherheit führt.[Fußnote 12]
In der Literatur werden weiterhin extrem unterschiedliche Auffassungen zu der Frage vertreten, wie mit einem Erwerber umzugehen ist, der den Erwerbsvertrag erst nach dem Entstehen der Eigentümergemeinschaft abschließt. Hügel/Elzer sind der Auffassung, das sobald der erste Erwerber ins Grundbuch eingetragen ist, könne für Erwerber, die nach diesem Zeitpunkt den Erwerbsvertrag abschließen, die Rechtsfigur des werdenden Wohnungseigentümers nicht mehr angewendet werden.[Fußnote 13]
Die Gegenposition, die u.a. von Greiner[Fußnote 14] vertreten wird, besagt, dass ein werdender Wohnungseigentümer solange anzunehmen ist, solange der Erwerber »direkt vom Bauträger« kauft und eine gesicherte Erwerbsposition erlangt hat.
Die Auffassung von Hügel/Elzer hat der BGH in seiner Entscheidung vom 11.05.2012 bereits verworfen. Die Auffassung von Greiner hat er in der gleichen Entscheidung jedoch nicht bestätigt.
Den Hinweis auf den »Eigenerwerb« wird man zusammen mit der Entscheidung vom 05.06.2008 so verstehen müssen, dass jedenfalls solange der Bauträger in den ersten Jahren nach der Fertigstellung des Gebäudes reine Vorratshaltung betreibt, weiterhin werdende Wohnungseigentümer entstehen, auch wenn der Kaufvertrag nach Entstehen der Gemeinschaft abgeschlossen worden ist.
Rapp[Fußnote 15] schlägt vor, dass jedenfalls der Erwerber einer vom Bauträger schon vermieteten Eigentumswohnung kein werdenden Eigentümer mehr werden könne. Dieser Erwerb ist nach seiner Ansicht Zweiterwerb. Wir teilen diese Auffassung jedenfalls dann, wenn der Bauträger aufgrund seiner Vermietung rechtlich in der Lage ist, die Wohnung unter Ausschluss der Gewährleistung nach Werkvertragsrecht zu veräußern. Das ist nach der einschlägigen BGH Rechtssprechung der Fall, wenn seit der Fertigstellung mindestens zwei Jahre vergangen sind.[Fußnote 16]
Mit einer weiteren Entscheidung[Fußnote 17] hat sich der BGH mit der Frage befasst, was gilt, wenn ein werdender Wohnungseigentümer seine Wohnung veräußert: Ein werdender Wohnungseigentümer (hier K3) bleibt auch dann Mitglied der Gemeinschaft, wenn er die Einheit unter Abtretung des vorgemerkten Übereignungsanspruchs und Besitzübertragung veräußert; der Erwerber (also K12) ist nicht als werdender Wohnungseigentümer anzusehen.
Hoffen auf weitere Entscheidungen des BGH zum werdenden Wohnungseigentümer
[Fußnote 1] BGH, V ZB 85/07, Urteil vom 05.06.2008, Rz. 12-
[Fußnote 2] BGH, a.a.O, Rz. 12.
[Fußnote 3] BGH, a.a.O., Rz. 19
[Fußnote 4] BGH, a.a.O., Rz. 16
[Fußnote 5] Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 2. Auflage, § 10 Rz. 36.
[Fußnote 6] BGH, a.a.O., Rz. 14; der V. Senat gibt den Hinweis, dass es unerheblich sei, ob die Wohnungsgrundbücher bereits angelegt sind (vgl. Rz. 15), ebenso BGH, Urteil vom 11.12.2015, V ZR 80/15. Der Sicherung des Eigentumsverschaffungsanspruchs durch eine Auflassungsvormerkung steht es gleich, dass der Ersterwerber den Antrag auf Eintragung in das Wohnungsgrundbuch beim Grundbuchamt gestellt hat (vgl. dazu Dr. Wenzel, Jochaim, Werdende Wohnungseigentümergemeinschaft, werdender Wohnungseigentümer, NZM 2008, S. 626.
[Fußnote 7] Hügel/Elzer,a.a.O., § 10 Rz. 10 mit Bezug auf Wenzel, NZM 2008, 625.
[Fußnote 8] BGH, a.a.O., Rz. 16; der BGH deutet an, dass »für einen gewissen Zeitraum« auch solche Ersterwerber wie Wohnungseigentümer zu behandeln sein könnten, die eine grundbuchrechtlich gesicherte Erwerbsposition und den Wohnungsbesitz erst nach der Eintragung des ersten Erwerbers erlangen. Er musste das aber (noch) nicht entscheiden, weil ein solcher Fall der Entscheidung nicht zugrunde lag.
[Fußnote 9] Hügel/Elzer, a.a.O., § 10 Rz. 12 mit weiteren Nachweisen. Absolut h. M.
[Fußnote 10] BGH, V ZR 196/11, Urteil vom 11.05.2012.
[Fußnote 11] BGH, V ZR 196,11, LS.
[Fußnote 12] Becker, Wohnungseigentum, 3. Auflage, § 3Rz. 135.
[Fußnote 13] Hügel/Elzer, a.a.O., § 10 Rz. 14 mit weiteren Nachweisen.
[Fußnote 14] Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 4. Auflage, § 1 Rz. 12.
[Fußnote 15] Dr. Rapp, Manfred, Die werdende Wohnungseigentümergemeinschaft und der werdende Wohnungseigentümer, MietRB 2014, S. 377ff.
[Fußnote 16] vgl. .z. B. BGH, VII ZR 49/15, GE 2016, S. 794.
[Fußnote 17] BGH, Urteil vom 24.07.2015, V ZR 275/14, ZWE 2015, 406.